BLUES TANZ: EIN AFRO-AMERIKANISCHER FOLKSTANZ TEIL 1

 

Dieser Artikel befasst sich überblicksweise mit der Bedeutung von Volkstanz, indem er sich hauptsächlich auf zwei Bücher bezieht: ‘Steppin on the Blues’ von Jacqui Malone und ‘Jazz Dance’ von Marshall und Jean Stearns. Mehr Bücher haben wir am Ende des Beitrages aufgelistet.   

 


 

WAS BEDEUTET DER BEGRIFF “EINHEIMISCH” ODER „VOLK“ IM BEGRIFF VOLKSTANZ (Englisch: ‘vernacular’)?

Unseren guten Freund Wikipedia zu Rate ziehend, versteht man unter dem Begriff Volkstanz (‘vernacular dance’) „Tänze, welche sich auf natürliche Weise als Teil der alltäglichen Kultur innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft entwickelt haben. Im Gegensatz zu elitärer und öffentlicher Kultur werden Volkstänze normalerweise ohne formale Ausbildung erlernt.“ [1]

 

In ‘Jazz Dance’ von Marshall und Jean Stearns wird ‘vernacular’ beschrieben als “einheimisch”. [2]
 

Malone erklärt in seinem Buch ’Steppin on the Blues’ „Volkstanz lässt sich nicht aus den Akademien sondern von den Farmen und Plantagen des Südens von den USA, den Sklavenfestivals des Nordens, levees, Straßen der Großstädte, Tanzsälen, Theatern und Kabaretts herleiten. Er unterliegt ständigen Veränderungen. Diese Veränderungen reflektieren jedoch immer eine sich ständig weiterentwickelnde Tradition und den vitalen Prozess von kultureller (Re)produktion.“ [3]

 

Ralph Ellison definiert ‘einheimisch‘ in seinem Buch ‘Going to the Territory’ wie folgt:

Ich sehe einheimisch als einen dynamischen Prozess, in dem die meistperfektionierten Stile der Vergangenheit mit Improvisation durch simples Zuhören oder gegenseitiges Beobachten verschmolzen werden. Diese Improvisationsmuster erfinden wir durch unsere Bemühungen unsere Umwelt zu kontrollieren und uns selbst zu unterhalten. Und das trifft nicht nur auf Sprache und Literatur zu, sondern auch bei Architektur und Kochkultur, in Musik, Mode, und Tanz, und Werkzeugen und Technologie. In diesen Aspekten werden die Stile und Techniken der Vergangenheit an die Bedürfnisse des Hier und Jetzt angepasst, und in seiner integrativen Handlung werden die verfeinerten Stile der Vergangenheit demokratisiert. [4]

 


 

CHARAKTERISTIKA AFRO-AMERIKANISCHEN VOLKSTANZES

      

Beide Werke ‘Jazz Dance’ (Stearns) und ‘Steppin’ on The Blues’ (Malone) erklären, dass Afro-Amerikanischer Volkstanz eine Mischung aus Zentralafrikanischem Tanz, Westafrikanischem Tanz und Europäischem Tanz in einem Amerikanischen Umfeld darstellt.

Jene Tänze, die aus afro-amerikanischer Kultur entstanden sind, sind so facettenreich wie diese Kultur selbst. Jedoch ist es allgemein anerkannt, dass sie bestimmte Charakteristika und Stilmerkmale teilen. Malone beschreibt diese als „Improvisation und Spontanität, antreibende Rhythmus, „call-and-response“ (Aufruf und Reaktion) Muster, Selbstausdruck, Eleganz und Kontrolle.“ [5]

Das Werk ‘Jazz’ geht generell davon aus, dass “im Allgemeinen trugen die Europäischen Einflüsse hauptsächlich zu Eleganz, während die Afrikanischen Einflüsse zum antreibenden Rhythmus bei“ (Das ist offensichtlich eine Vereinfachung, aber ist die allgemeine Idee). [6]

Wir werden uns jeder dieser Charakteristika in Zukunft in anderen Blogeinträgen mit mehr Detail widmen…

 


 

TÄNZE AUS AFRIKA WERDEN WELTWEIT POPULÄRE TÄNZE

Afro-amerikanischer Volkstanz verursachte weltweit populäre Tanztrends wie Charleston, Lindy Hop und Twist.

TED Ed Video von Camille Brown über die Geschichte von Afro-amerikanischen Tänzen:

In dem Buch ‘Jazz’ erklärt Stearns: “Vor ein paar Jahren als wir Filme über West-afrikanischen Tanz ansahen… sahen die Schriftsteller den Ibibio aus Nigeria, der den ‘Shimmy‘ tanzte, den Sherbro aus Sierra Leone, der einen unglaublich fein ausgedrückten Facsimile von ‘Snake Hips‘ vollführte, und eine Gruppe von Hausa Mädchen von Kano, die sich auf eine Art bewegten, die dem Lindy oder Jitterbug sehr ähnlich ist.“ [7]

Frederick Kaigh behauptet, dass “The Kinder Afrika’s hatten schon den Charlsten getanzt – uns sie tun es immer noch – noch bevor Julius Cesar auch nur ein wenig von Großbritannien gehört hat.“ [8]

Die wahren Formen dieser Tänze haben es traurigerweise nie wirklich ins Rampenlicht geschafft. In ‚Jazz‘ wird von Roger Pryor Dodge beschrieben – was ich als „white-washing“ der Tänze bezeichnen würde: „Traurigerweise hat sich aus diesem ganzen Tanzwahn, keiner dieser Tänze zu einem professionellen Bühnentanz entwickelt… Während Lindy Hop TänzerInnen auf der Seitenlinie standen, hat eine neue Generation an TänzerInnen, ausgestattet mit einer Ausbildung in Ballet und Modernem Tanz, das Geschäft übernommen und tanzte zu einer Form von Jazz Musik. Dieser neue Tanz hat keine der abgeänderten oder unveränderten Stilelemente von ‚Negro‘-Tänzen. Mit seinen neuen Bewegungen, die sich aus Jazz ableiteten, war es der Idee von Choreographen überlassen, was Tänzer mit Ballett oder moderner Tanzausbildung zu Jazz tanzen sollten.“ [9].

 


 

BLUESTANZ AUSSERHALB VON AFRO-AMERIKANISCHEN KULTUREN

Bluestanz wie wir ihn kennen (in der internationalen Tanzszene im Gegensatz zu den Szenen wo in den Bluesbars der USA getanzt wird) wurde nun zu einem unterrichteten Tanz. Etwas für das wir Kurse besuchen, um es zu erlernen. Diese formale Ausbildung ist unausweichlich sobald viele / oder ein Großteil der Leute aus der Bluestanzszene nicht Afro-amerikanische Wurzeln haben. Wir kommen nicht mit dem Tanz und seiner Tradition in unserem Alltag in Berührung, und deswegen, müssen wir uns Tanzunterricht widmen, um zu tanzen. Obwohl diese neue Art einen Tanz zu erlernen weit verbreitet und anerkannt ist, müssen wir darauf Acht geben, dass die Art wie wir den Tanz erlernen nicht zu stark die Wert die hinter dem Tanz stehen beeinflussen.

 

“Albert Murray nennt den Afro-amerikanischen Tanz ein Ritual der Reinigung, der Bestätigung und des Feierns. Es hilft den Blues zu vertreiben und bietet viele Möglichkeiten auf symbolische Art und Weise gesellschaftliche Hierarchien in Frage zu stellen, indem er Kraft und Freiheit verleiht, die im öffentlichen alltäglichen Leben unmöglich gewesen wären. Während eines Tanzes kann jeder von uns durch die richtigen Bewegungen König oder Königen der Tanzfläche werden.” [10]

Malone schreibt “Afro-amerikanischer Tanz bricht die Grenzen von Gender, Alter, Geschlecht, Herkunft und Klasse“ [11]. Es „ist eine Quelle von Energie, Freude und Inspiration“ und „ein Weg Arbeit zu erleichtern, soziale Werte zu vermitteln und Institutionen zu stärken“ und „die Einheit von Körper und Geist zu lehren und mentale als auch körperliche Kräfte zu regenerieren“. [12].

Wenn man über diese Qualitäten liest, ist es leicht zu verstehen warum weltweit so viele Menschen die Liebe für Blues und andere afro-amerikanische Tänze entwickeln. Afro-amerikanischer Volkstanz bietet etwas wonach sich viele Menschen aus allen möglichen Kulturen sehnen, verlangen und davon lernen können. Allerdings, wenn „Afro-amerikanischer Volkstanz Afro-amerikanische Werte verkörpert“ [13], dann ist es wichtig, dass wir diese Werte erlernen, verstehen und ehren. Nicht nur Werte aus der Vergangenheit, aber auch aktuelle Werte der Afro-amerikanischen Gemeinschaft heutzutage.

 


 

EINE LETZTE ANMERKUNG INSPIRIERT DURCH DR CHRIS WELLS

 

Wir haben erst kürzlich eine Lesung von Dr Chris Wells bei BluesSHOUT in Chicago über „Blues und die afrikanische Diaspora“ gehört. Ich möchte diesen Beitrag damit beenden etwas zu erwähnen, dass Dr Wells gesagt hat…
…Blues ist eine lebende Tradition welche durch historische und zeitgenössische Strömungen und Wanderungen geprägt ist. Als Weiße, die diesen Tanz tanzen, müssen wir seine Wurzeln ehren, während wir zur selben Zeit darauf Acht geben müssen, dass wir nicht die gegenwärtige Kultur der Schwarzen, und viel wichtiger schwarzer Menschen ignorieren. Die Kultur des Blues kann nicht in der Geschichte festgemacht werden. Wenn wir uns als Weiße entschließen Blues zu tanzen, dann entscheiden wir uns in einer lebenden Tradition und Kultur teilzunehmen; Wir müssen uns wie gute Gäste in dieser Tradition verhalten.

 


 

Weitere Lektüre

Mit unseren Beiträgen schaffen wir es nur an der Oberfläche vieler Themen zu kratzen. Aber glücklicherweise gibt es eine hervorragende Bücher, die sich eingehender mit der Materie beschäftigen…

“Steppin’ on the Blues: The Visible Rhythms of African American Dance” von Jacqui Malone
“Jazz Dance: The Story of American Vernacular Dance” von Marshall und Jean Stearns
“Black Dance From 1619 to Today” von Lynne Fauley Emery
“Jookin’: The Rise if Social Dance Formations in African American Culture” von Katrina Hazzard-Gordon

 


 

Fußnoten

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Vernacular_dance
[2] Jazz Dance by Marshall und Jean Stearns. Seite xvi
[3] Steppin’ on the Blues von Jacqui Malone. Seite 2
[4] Zitiert von Malone in ‘Steppin’ on the Blues’, Seite 2
[5] Steppin’ on the Blues von Jacqui Malone. Seite 2
[6] Jazz Dance von Marshall und Jean Stearns. Seite xvi
[7] Jazz Dance von Marshall und Jean Stearns. Seite 13
[8] Frederick Kaig ‘Witchcraft and Magic in Africa’ 1947, Seite 21. Quoted in ‘Jazz Dance’, Seite 13.
[9] Jazz Dance von Marshall und Jean Stearns. Seite xvii
[10] Steppin on the Blues von Jacqui Malone. Seite 1
[11] Steppin on the Blues von Jacqui Malone. Seite 4
[12] Steppin on the Blues von Jacqui Malone. Seite 24
[13] Steppin on the Blues von Jacqui Malone. Seite 7

 

Translation by Andi Endl. Thank you Andi!